Wann kommt die Pleitewelle?

Wann kommt die Pleitewelle?

Wie viele Insolvenzen gibt es derzeit?

Die Pleitegeier warten auf die Pleitewelle. Trotz der Tatsache, dass die Wirtschaft durch eine große Krise geht, sind die Insolvenzzahlen so niedrig wie selten zuvor.

Ein paar Zahlen gefällig? In den ersten 3 Quartalen 2020 wurde über 1.545 Unternehmen in Österreich ein Insolvenzverfahren eröffnet. Das sind um rund 800 bzw. 34 % weniger als im selben Zeitraum 2019. Interessant ist auch der Blick auf die einzelnen Wirtschaftszweige. In Produktionsbetrieben (Sachgütererzeugung) beträgt der Rückgang nur rund 10 %. Die Insolvenzen im Beherbergungs- und Gaststättenwesen gingen um 36 % zurück. Etwa 40 % weniger Handelsunternehmen standen heuer vor dem Konkursrichter. Einzelunternehmern waren um 40 % seltener in Insolvenz. Die Insolvenzzahlen bei GmbHs sind um “nur” 25 % gesunken.

Bleit die Pleitewelle auch im Innviertel aus? Im Jahr 2018 hatte die zuletzt eröffnete Insolvenz die laufende Zahl 39. Im Jahr 2019 stand die Zahl 36 am Aktendeckel. Heuer trägt das zuletzt eröffnete Verfahren (Stand Mitte November) die laufende Zahl 16. Mit Jahresende werden um die 50 % weniger Unternehmer einen Insolvenzverwalter kennen lernen.

Warum gibt es weniger Insolvenzen trotz Krise?

Wie kann das sein, dass es trotz Corona weniger Insolvenzen gibt? Auszuschließen ist, dass es den Betrieben besser als vor der Krise geht.

Aus zwei Gründen muss ein Insolvenzantrag gestellt werden: Der eine Grund ist die Zahlungsunfähigkeit. Der Schuldner ist  nicht mehr in der Lage seine fälligen Verbindlichkeiten zu begleichen. Der Rahmen bei der Bank ist voll ausgeschöpft. Die liquiden Mittel reichen nicht, Rechnungen, Steuern oder Kreditraten zu zahlen.

Der andere Grund ist die Überschuldung. Es liegen mehr Verbindlichkeiten als Aktiva vor (die Schulden sind größer als das Vermögen). Die Planung der Zukunft („Fortbestehensprognose“) lässt eine Änderung nicht erwarten.

Ein Insolvenzverfahren wird nur auf Antrag eröffnet. Es muss also ein Gläubiger oder der Schuldner selbst beim Gericht einen Insolvenzantrag stellen. Derzeit gibt es weniger Anträge von beiden Gruppen: Gläubiger stellen praktisch Insolvenzanträge nur wegen Zahlungsunfähigkeit. Wer sein Geld bekommen hat, stellt keinen Antrag. Durch die Stundungen (Banken, Finanzamt, Gesundheitskasse) und die Förderungen (zB Kurzarbeit) sind nur wenige Unternehmen tatsächlich zahlungsunfähig.  Lieferanten und Banken stellen generell selten einen Insolvenzantrag. Sie hoffen, dass im Fortbetrieb eine höhere Rückzahlung als die Insolvenzquote erfolgt.

Die Schuldner selber stellen derzeit auch weniger Anträge. Denn der Schuldner will durch den Antrag entweder seine Unternehmertätigkeit beenden (Konkurs) oder sein Unternehmen sanieren (Sanierungsverfahren, Konkurse mit Auffanglösungen). Derzeit ist es unmöglich eine realistische Planung zu erstellen. Unklar ist, ob die Talsohle der Krise überschritten ist. Folglich werden nahezu keine Sanierungsplananträge gestellt. Der Gesetzgeber die Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung bis 31.01.2021 ausgesetzt. Es besteht daher keine Pflicht zur Antragstellung. Damit entfällt das Haftungsrisiko für Organe (Geschäftsführer).

Wann kommt die Pleitewelle?

Aus heutiger Sicht eine schwierige Frage. Gerade wenn man ein konkretes Datum nennen will. Es gibt aber einzelne Entwicklungen, die zu Insolvenzwellen führen werden.

 

Ein Zeitpunkt ist mit Sicherheit, wenn die gestundeten Steuer- und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden müssen . Die Einforderung der Beiträge wird bei manchem Unternehmer die Zahlungsunfähigkeit auslösen. Davon werden Schuldner sein, die auch ohne Covid-19 Krise bereits insolvent geworden wären. Es wurde auch rückständige Beiträge aus der Zeit vor Covid-19 gestundet.  Dieser Zeitpunkt wird wohl überwiegend Konkurs und Konkursabweisungen mangels Masse (es sind zu wenig Aktiva vorhanden, um die Anlaufkosten des Verfahrens abzudecken) auslösen. Derzeit sind Abgaben bis 15.01.2021 gestundet.

 

Ein weiterer Zeitpunkt ist der Wegfall der Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung (derzeit 31.01.2021). Der Insolvenzgrund der Überschuldung betrifft im Wesentlichen Kapitalgesellschaften. Geschäftsführer oder Vorstände haften persönlich, wenn sie nicht rechtzeitig einen Insolvenzantrag stellen. Geschäftsführer werden handeln müssen, wenn sie eine persönliche Haftung vermeiden wollen.

 

Der Gesetzgeber ist aber gut beraten, wenn Insolvenzanträge wegen Überschuldung erst dann gestellt werden müssen, wenn die Covid-19 Krise so weit überwunden ist. Damit wird eine realistische Planung möglich. Ansonsten werden Sanierungen nicht oder nur sehr schwer planbar sein und oftmals scheitern.

 

Womit ein weiterer Zeitpunkt identifiziert ist: Wenn für den Unternehmer eine (positive) Zukunftsplanung wieder möglich ist. Dieser Zeitpunkt kann durchaus von der Tätigkeit des Unternehmens abhängen: Ein Gastwirt mit regionalen Kunden kann möglicherweise früher wieder Umsätze wie vor der Krise erzielen, als ein Reisebüro oder eine Zulieferunternehmen für die Flugzeugherstellung.

Wie viele Unternehmen werden 2021 von der Pleitewelle erfasst?

Eine unmöglich zu beantwortende Frage – aber wir trauen uns eine Prognose. Dafür werden wir einen Blick auf die Insolvenzzahlen der letzten rund 15 Jahre. Die Anzahl der eröffneten Unternehmensinsolvenzen war ziemlich konstant – im Durchschnitt wurden 3.215 Verfahren pro Jahr eröffnet. Lediglich ein Jahr lag außerhalb einer Schwankungsbreite von 10 %. Im Jahr 2009 zum Zeitpunkt der höchsten Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise wurde über 3.741 Unternehmer eine Insolvenzverfahren eröffnet.

 

 

Auch 2020 wird aus der Norm fallen – wurden doch in den ersten 3 Quartalen 1.545 Unternehmensinsolvenz eröffnet. Mit Jahresende ist mit rund 2.000 Verfahren zu rechnen. 2020 werden damit rund 1.200 weniger Insolvenzen eröffnet worden sein als der langjährige Schnitt. Der Grund liegt aber nicht darin, dass diese Unternehmen nicht insolvenzreif sind. Grund ist vielmehr, dass politische Maßnahmen die Auslöser zur Antragstellung nach hinten verschoben haben. Bereits ohne „zusätzliche“ Insolvenzen ist 2021 zum Durchschnitt von 3.215 die Bugwelle von 1.200 Insolvenzen zu erwarten. Das wären also etwa 4.315 Insolvenzen.

Geht man davon aus, dass Covid-19 und die Weltwirtschaftskrise 2009 dieselben wirtschaftlichen Auswirkungen hatten, wäre die Zahl der Eröffnungen von 2009 – 3.741 Verfahren – zu erwarten. Rechnet man die Bugwelle von 2019 – 1.200 Insolvenzen – hinzu wären rund 5.000 Insolvenz zu erwarten.

Wir denken allerdings, dass die Covid-19 Krise stärkere Auswirkungen, insbesondere auf Klein- und Einzelunternehmer hat, als die Krise 2019. Wir legen uns fest: Im Jahr 2021 werden 6.000 Unternehmen von der Pleitewelle in Österreich erfasst.