Jahresrückblick – fünf Entscheidungen aus 2021
Gerichtliche Entscheidungen sind unser täglich Brot. Zum Jahresabschluss haben wir fünf Entscheidungen ausgewählt. Die Auswahl ist subjektiv. Sie erfolgte eigentlich während des Jahres in den Kaffeepausen.
Flüchtender haftet für Verletzungen des ihn verfolgenden Polizisten – Oberster Gerichtshof
Nachdem bei einer Personenkontrolle Drogen entdeckt wurden, riss sich ein Verdächtiger überraschend los und flüchtete. Er durchquerte dabei zunächst ein Gebüsch und eine Wiese. Er lief dann auf einem Asphaltweg und schließlich auf einem Schotterweg weiter. Der ihn verfolgende Polizist übersah im Dunkeln auf dem Schotterweg ein Schlagloch. Er kam dadurch zu Sturz und verletzte sich.
Das OGH bejahte die Haftung des Flüchtenden. Verletzt sich ein Polizist bei der Verfolgung ist das grundsätzlich Berufsrisiko. Wird durch die Art der Flucht die Gefahr für den verfolgenden Polizisten erhöht, besteht eine Haftung. Die ergab sich hier daraus, „dass die Flucht im Dunkeln über wechselnden Untergrund und mitunter unebenes Gelände erfolgte“.
Haftung des Wahlleiters – Oberster Gerichtshof
Die Wiederholung der Bundespräsidentenwahl 2016 beschäftige den OGH. Die Finanzprokuratur (quasi der Anwalt des Bundes) klagte einen Wahlleiter auf Schadenersatz. Sie bezifferte den Schaden, auf insgesamt rund 8 Millionen Euro. 36.000 Euro sollte der Wahlleiter ersetzen.
Der OGH bejahte die grundsätzliche Haftung. Die Auszählung der Stimmkarten war nicht nach dem Gesetz erfolgt. Die erste Instanz muss feststellen, wie hoch der Schaden ist. Im Organhaftpflichtgesetz ist ein Mäßigungsrecht vorgesehen.
Corona-Betretungsverbot – Verfassungsgerichtshof
Covid-19 brachte eine Vielzahl von Regeln, die teilweise nur kurz in Kraft waren. Und eine Vielzahl von Entscheidungen.
Vom 16. März 2020 bis 30. April 2020 war ein generelles Betretungsverbot von Sportstätten in Kraft. Ein Fischteichbesitzer war wegen eines Verstoßes bestraft worden. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark wollte vom VfGH wissen, ob das generelle Betretungsverbot überhaupt verfassungskonform ist.
Mit Erkenntnis vom 9. März 2021 entschied der VfGH dass das Betretungsverbot nicht ausreichend begründet ist. Das war also rund ein Jahr nach der Geltung der Bestimmung. Dem VfGH fehlte die Begründung, warum das generelle Verbot zur Eindämmung des Virus notwendig war.
Pyrotechnikgesetz: Kein Schutz von Tieren – Verwaltungsgerichtshof
Anlässlich einer Geburtstagsfeier sollte ein größeres Feuerwerk in der Dauer von rund 15 Minuten abgebrannt werden. Eine Bewilligung wurde von der Behörde erteilt. Die Bewilligung erfolgte unter der Bedingung, dass sich im Umkreis von 2.000 Metern zum Abbrennplatz kein von einem Weißstorch benützter Horst befinde.
Der VwGH entscheid, dass die Bedingung rechtswidrig ist. Das Pyrotechnikgesetz soll zwar vor “unzumutbaren Lärmbelästigungen” schützen – das gilt aber nicht für Tiere.
Gänzlich ungeschützt bleibt der Weißstorch jedoch nicht. Der VwGH verwies darauf, dass eine allfällige Gefährdung von der Naturschutzbehörde zu prüfen ist.
Auseinandersetzung zwischen Kindern – Oberster Gerichtshof
Ein rund achteinhalb Jahre altes Kind fühlte sich von einer Gruppe von fünf rund neuneinhalb Jahre alten Kindern eingeschüchtert. Diese hatten ihm aufgrund vorangegangener Konflikte mit Ästen „gedroht“. Es nahm daher selbst einen Ast und warf ihn in Richtung dieser Gruppe. Dabei wurde ein Kind am Auge verletzte. Die Verletzung dürfte erheblich gewesen sein, wurden doch rund 34.000 Euro eingeklagt.
Der OGH verneinte eine Haftung. Einem Kind in diesem Alter muss zwar bewusst sein, dass man eine Person, auf die man einen harten Gegenstand wirft, verletzen kann. Allerdings warf der Achtjährige den Ast nur deshalb, weil er sich bedroht fühlte. Angesichts des Alters, der von ihm empfundenen „Bedrohung“ und weil nicht feststeht, dass er den Ast gezielt gegen den Kläger warf, kann ihm die Handlung nicht als Verschulden vorgeworfen werden.
Wir wünschen den Gerichtshöfen ein produktives erfolgreiches Jahr 2022.